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Connected Car

Neue Geschäftsmodelle auf der Überholspur

Dorothee Haensch

Von Dorothee Haensch

Die Automobilbranche verändert sich aktuell rasanter als jemals zuvor. Es gibt viele Faktoren, die diesen Wandel stark beschleunigen: Der Trend zur Elektromobilität, digitaler B2B- und B2C-Handel über Marktplätze, hochinnovative Konkurrenz aus China und bislang vernachlässigtes Datenmanagement zwingen alle Marktteilnehmer:innen zum Umdenken ihrer bestehenden Prozesse. Gerade der letzte Punkt ist entscheidend für den langfristigen Erfolg, denn Daten spielen eine zentrale Rolle für zukünftige Geschäftsmodelle.

Die globale Industrie befindet sich in der Krise – Lockdowns, politische Unruhen und die wachsende Inflation betreffen auch den Automotive-Sektor. Dadurch entstandene Probleme in den Lieferketten sorgten bei mehreren Herstellern dafür, dass die Produktion stillstand – das kostete die OEMs Milliarden.

Der Wettbewerb ist groß – innovative Tech-Unternehmen wie Tesla werden immer gefragter und verbuchen steigende Börsenkurse. Man kann davon ausgehen, dass weitere Tech-Riesen den Vormarsch in den Automotive-Sektor wagen – auch Apple arbeitet schon lange an einem Elektroauto, das dem ADAC zufolge 2026 auf den Markt kommt.

Woran liegt es, das Tech-Unternehmen als Disruptoren in einem so etablierten Markt erfolgreich sein können? Sie setzen auf datenbasierte Geschäftsmodelle. Und genau an diesem Punkt sollten auch die etablierten europäischen OEMs ansetzen und umdenken. Nicht mehr allein die Hardware, also das Auto, sollten im Entwicklungsfokus stehen, sondern ebenso die Software und Datenstrukturen.

Produkte und Volumen sind wichtig, definitiv! Aber: OEMs müssen auch durch die Datenbrille schauen, um sich in die Lage zu versetzen, datenbasierte Geschäftsmodelle zu nutzen. Die Zeiten, in denen man gewinnbringend nur von Produkt zu Produkt gedacht hat, sind vorbei!

- Nils Radsak, Founder & CEO konekta consulting ltda

Es wird immer wichtiger, nicht über nur das Produkt, sondern auch auf dem Aftermarket über den gesamten Zyklus des Autos hinweg Umsatz zu generieren. Und dafür sind Daten und Software unverzichtbar.

Connected Car als Umsatztreiber für den Aftermarket

Laut Prognosen von McKinsey können OEMs, Zulieferer und Service-Provider bis 2030 mit der strategischen Nutzung von Daten aus vernetzten Fahrzeugen jährlich bis zu 310 US-Dollar mehr Umsatz pro Auto machen. Dies kann über unterschiedlichste Funktionalitäten stattfinden.

Was versteht man unter vernetzten Fahrzeugen, oder: Connected Car? Der Begriff umschreibt ein vernetztes Fahrzeug, das über drahtlose Technologien mit dem Internet, Kommunikationsnetzwerken mit anderen Fahrzeugen, Infrastrukturen und Dienstleistern verbunden ist. Dabei werden Daten sowohl innerhalb des Fahrzeugs als auch mit externen Systemen ausgetauscht. Die Vernetzung ermöglicht es dem Auto, Informationen zu senden, zu empfangen und zu verarbeiten. Das dient zum einen der Convenience des Fahrerlebnisses, zum anderen können Unternehmen durch die Daten ihre Aftersales-Strategien sehr viel besser an die Zielgruppe anpassen, wie die folgenden Beispiele veranschaulichen:

Kostenpflichtige Infotainment-Systeme

Ein Connected Car bietet fortschrittliche Unterhaltungs- und Informationsmöglichkeiten für Fahrer:innen und Passagier:innen. Dies können Internetzugang, Streaming von Musik und Videos, Navigation in Echtzeit, Verkehrsinformationen, Wetterberichte und vieles mehr beinhalten. Hier können Partnerschaften mit Medien- und Unterhaltungsunternehmen geschaffen werden, von denen zum Beispiel Streaming-Dienste profitieren.

Datenanalyse und Monetarisierung

Connected Cars generieren eine Fülle von Daten wie Fahrzeugzustand, Fahrverhalten, Standortdaten und mehr. Unternehmen können diese Daten sammeln, analysieren und monetarisieren, indem sie Erkenntnisse für Versicherungsunternehmen, Verkehrsplanung, Stadtentwicklung und andere Branchen bereitstellen.

Wartung basierend auf Fahrverhalten

Durch Telematiksysteme können Fahrzeugdaten wie Geschwindigkeit, Kilometerstand, Kraftstoffverbrauch und technische Zustände in Echtzeit überwacht und analysiert werden. Diese Daten können dazu verwendet werden, Wartungsbedarf vorherzusagen, die Fahrzeugleistung zu optimieren und Unfälle zu verhindern.

Abonnementbasierte Dienste

Hersteller können Funktionen und Upgrades über Software-Updates anbieten und Kund:innen dazu ermutigen, Abonnements abzuschließen, um Zugang zu erweiterten Funktionen oder Diensten zu erhalten. Auf dieses Modell setzt zum Beispiel Tesla mit dem FSD-Abo in den USA heute schon: Das Abo-Paket „Full Self-Driving“ wird monatlich

abgerechnet und ist jederzeit kündbar. Das Abonnement umfasst Funktionen wie einen Spurwechselassistenten, automatisches Einparken, Anzeigen von Parkplätzen oder Erkennung von Verkehrsschildern.

Smart City Services

Vernetzte Fahrzeuge können Informationen über Verkehr, Straßenzustand und Parkplatzverfügbarkeit in Echtzeit an städtische Infrastruktursysteme weitergeben. Städte können diese Daten nutzen, um den Verkehrsfluss zu verbessern und die Effizienz des städtischen Transportsystems zu steigern.

Werbung und personalisiertes Marketing

Unternehmen könnten relevante Werbebotschaften an Fahrer:innen und Passagier:innen senden – basierend auf ihrem Standort, ihren Interessen und Gewohnheiten. Auch hier können lukrative Kooperationen entstehen. Ein Beispiel: Es befindet sich eine Ladesäule in der Nähe einer Coffeeshop-Kette. Fahrer:innen, die hier ihre Autos laden, werden während der Ladezeit Angebote und Vouchercodes für dieses Restaurant ausgespielt. Die Ladezeit an einer öffentlichen Säule beträgt im durchschnittlich 30-60 Minuten – und genau diese Zeit kann monetarisiert werden, indem die Fahrer:innen dieser Autos beispielsweise durch einen personalisierten Kaffee-Rabatt zu Kund:innen des Coffeeshops konvertieren

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Car-to-Commerce: Das Auto als digitaler Geldbeutel

Das Car-to-Commerce (C2C) Modell geht hier sogar noch einen Schritt weiter und ermöglicht es, im vernetzten Fahrzeug nahtlose Einkaufmöglichkeiten zu bieten. Fahrer:innen und Passagier:innen können damit direkt aus dem Cockpit Käufe abwickeln. Dieses Modell ist in den USA bereits auf dem Vormarsch: Eine Studie von Visa belegt, dass US-Amerikaner täglich über 200 Milliarden Dollar ausgeben, während sie sich im Auto befinden – bislang vorwiegend über das Smartphone. In diesem Bereich liegen also auch große Chancen für Hersteller, die eine Plattform für Zahlungsdienstleister direkt in die Automobilsoftware integrieren und mobile Einkäufe für Kund:innen damit noch bequemer machen.

Nach einer Studie der IFH Köln und BBW Automotive von 2022 gibt es für das Car-to-Commerce-Modell auch in Deutschland einen großen Markt: Deutsche Verbraucher:innen gaben an, dass sie durchaus gewillt wären, Einkäufe während der Autofahrt zu tätigen. Spitzenreiter war hier der Bereich Lebensmittel (30 Prozent). Darauf folgen Angebote und Services aus dem Bereich Freizeit und Sport (27%). Jede:r Fünfte gab an, auch den Kauf von Autozubehör und Ersatzteilen aus dem Fahrzeug heraus in Betracht zu ziehen.

Einige große Hersteller nutzen diese Technologie bereits: Im März hat Mercedes-Benz bekannt gegeben, dass das Unternehmen zukünftig eine Visa-Technologie einsetzt, um

Zahlungen direkt im Fahrzeug zu ermöglichen. Mit dem System Mercedes pay+ können Fahrzeugnutzer:innen verschiedene digitale Services mit Hilfe eines Fingerabdrucksensors über das Cockpit-Display buchen und bezahlen.

Dieses Modell hat für Hersteller nicht nur den Vorteil, dass sie an jeder Cockpit-Transaktion verdienen, sondern es liefert auch wertvolle Informationen über das Kundenverhalten. Das ermöglicht es, Service-Angebote noch zielgerichteter auszuspielen und die Markenbindung dadurch zu erhöhen.

Stabile Datenarchitektur für kundenorientierte Lösungen

Für die Umsetzung solcher Connected-Car-Optionen ist der Aufbau einer stabilen Datenarchitektur die Voraussetzung. Diese Informationen sind die Grundlage für echte Kundenzentrierung und den langfristigen Erfolg am Markt. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen Kundendaten aus verschiedenen Online- und Offline-Kanälen miteinander verknüpfen, Datensilos aufbrechen und genaue Kundenprofile erstellen. Eine optimale Customer Experience ist ohne Kundendaten und deren Analyse ist in Zukunft nicht mehr möglich.

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Wer ist Dorothee?

Dorothee Haensch

Dorothee Haensch

Dorothee Haensch ist seit 2023 als Senior Marketing Manager Teil der diva-e. Als Expertin für Content im Softwarebereich geht sie den Anforderungen unterschiedlicher Industrien auf den Grund und erstellt Inhalte, die Unternehmen dabei helfen, aktuelle Probleme zu lösen und zukünftige Herausforderungen zu meistern.