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Total Experience  | 27 Aug 2025

Expertentipps zur Technologie Evaluation

Es geht nicht um die neuesten Features, sondern um Business Value

Porträt von Dorothee Haensch
Dorothee Haensch

Interview mit Alexander Neuhausen, Solution Architect und Technology Advisor bei diva-e Conclusion


Alexander Neuhausen ist seit 2013 als Solution Architect und Technology Advisor bei diva-e Conlusion tätig. Mit über 25 Jahren Branchenerfahrung liegt sein Schwerpunkt auf Technical Due Diligence sowie der Entwicklung nachhaltiger Architekturen und Bebauungspläne für digitales Business. Sein Fokus liegt auf individueller Beratung und der Schaffung messbarer Mehrwerte – weit über etablierte Standards oder den reinen Vergleich von Feature-Listen hinaus. 


In diesem Beitrag teilt Alexander sein Expertenwissen aus zahlreichen Projekten – von den ersten Fragestellungen bis hin zu Erfolgsfaktoren und Trends im Tech Consulting.

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Teil 1: Positionierung

Welche typischen Fragen oder Herausforderungen bringen Kunden an uns heran? 

„Kunden wenden sich meist mit drei zentralen Herausforderungen an uns:  

  • Erstens haben sie Schwierigkeiten, aus der Vielzahl verfügbarer Technologien die richtige Lösung für ihre spezifischen Geschäftsanforderungen zu identifizieren.  

  • Zweitens fehlt ihnen oft die Expertise, komplexe Integrationsszenarien und langfristige Auswirkungen auf ihre IT-Landschaft realistisch einzuschätzen. 

  • Drittens kämpfen sie mit internen Interessenskonflikten zwischen verschiedenen Abteilungen, die unterschiedliche Prioritäten und Anforderungen haben.

  

In welchen Situationen wenden sich Unternehmen für die Technologieauswahl besonders häufig an uns? 

„Unternehmen suchen externe Unterstützung vor allem in vier Situationen:  

  1. Bei strategischen Digitalisierungsinitiativen, die das gesamte Geschäftsmodell betreffen.

  2. Wenn Legacy-Systeme erneuert werden müssen und hohe Investitionen anstehen.  

  3. Bei komplexen Integrationsprojekten, die mehrere Geschäftsbereiche betreffen. 

  4. Wenn interne Ressourcen oder Expertise für eine objektive Bewertung fehlen. "

  

Welche typischen Fehler oder Herausforderungen siehst du bei Unternehmen, die die Tech-Evaluation ohne externe Hilfe angehen?  

„Der häufigste Fehler ist eine technologiegetriebene statt geschäftsgetriebener Herangehensweise. Unternehmen verlieben sich oft in Features und Marketing-Claims, ohne den tatsächlichen Geschäftsnutzen zu bewerten. 


Zudem unterschätzen sie regelmäßig Integrationskosten und Change-Management-Aufwände. Ein weiterer kritischer Punkt ist die unvollständige Stakeholder-Einbindung, wodurch wichtige Anforderungen übersehen werden.  


Viele Unternehmen denken zudem in veralteten Software-Kategorien aus den 2000er Jahren und versuchen mit Standardlösungen zu innovieren, anstatt moderne, „composable“ Architekturen zu betrachten. 

 

Teil 2: Bedarfsanalyse und Zieldefinition

Wie unterstützen wir Kunden dabei, den tatsächlichen Technologiebedarf zu erkennen? 

Wir beginnen immer mit einer umfassenden Geschäftsstrategie-Analyse, bevor wir über Technologie sprechen. Durch Digital Due Diligence verstehen wir die aktuelle IT-Landschaft und identifizieren Schwachstellen.  

 

Anschließend führen wir strukturierte Stakeholder-Interviews und Workshops durch, um sowohl explizite als auch implizite Anforderungen zu erfassen. Dabei nutzen wir bewährte Frameworks zur Anforderungsanalyse und erstellen User Journey Maps, um den tatsächlichen Bedarf aus Anwendersicht zu verstehen." 

 

Welche Methoden setzen wir ein, um Anforderungen klar zu strukturieren? 

„Wir verwenden einen mehrstufigen Ansatz mit verschiedenen Workshop-Formaten: Business Strategy Workshops zur Klärung der Geschäftsziele, Requirements Engineering Sessions zur detaillierten Anforderungserfassung und Architecture Design Thinking Workshops für die technische Konzeption. Ergänzend setzen wir auf bewährte Frameworks wie TOGAF für die Enterprise Architecture und agile Methoden für die iterative Verfeinerung der Anforderungen."

  

Wie unterscheiden wir zwischen „Must-have“-Anforderungen und „Nice-to-have“-Features? 

„Wir bewerten Anforderungen anhand ihrer direkten Auswirkung auf definierte Geschäftsziele und KPIs:  

  • Must-have-Anforderungen sind solche, ohne die das Geschäftsziel nicht erreicht werden kann oder kritische Compliance-Anforderungen verletzt werden. 

  • Nice-to-have-Features verbessern zwar die Lösung, sind aber nicht geschäftskritisch.


    Diese Priorisierung erfolgt gemeinsam mit den Fachbereichen unter Berücksichtigung von ROI-Berechnungen und strategischen Zielen."

Teil 3: Bewertungs- und Entscheidungsprozesse

Nach welchen Kriterien helfen wir Kunden, Technologien zu evaluieren? 

„Wir verwenden ein strukturiertes Bewertungsframework mit gewichteten Kriterien: 

  • Geschäftsnutzen

  • strategischer Fit

  • .funktionale Abdeckung der Kernprozesse.

  • Technische Kriterien wie Skalierbarkeit, Sicherheit und Integrierbarkeit

  • Total Cost of Ownership

  • Vendor-Stabilität


Besonders wichtig sind auch Change-Management-Faktoren wie Benutzerfreundlichkeit und Schulungsaufwand.


Je nach Bedarf, Komplexität und Detailierungsgrad kann dies Hunderte von Kriterien umfassen, die nach ihrer Bedeutung und ihrem Einfluss gewichtet und priorisiert werden, um eine möglichst objektive Bewertung zu gewährleisten. 


Ein weiterer wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird, ist die Bedeutung von Daten-Strategie und -Governance bei Technologie-Entscheidungen. Moderne Lösungen sind nur so gut wie die Datenqualität, die sie verarbeiten. Daher integrieren wir Master Data Management und Data Governance von Anfang an in unsere Evaluationen."

 

 

Wie sichern wir Transparenz im Entscheidungsprozess für alle Stakeholder:innen im Kundenunternehmen? 

„Transparenz erreichen wir durch eine klare Bewertungsmatrix mit nachvollziehbaren Kriterien und Gewichtungen, die alle Stakeholder:innen gemeinsam definieren – dabeu wird ede Bewertung wird dokumentiert und begründet.  


Gemeinsame Meetings sorgen für kontinuierliche Kommunikation. Außderdem erhalten alle Stakeholder:innen Zugang zu den Bewertungsergebnissen in verständlicher Form. Wichtige Entscheidungen werden also immer in Abstimmungsrunden getroffen, nicht von Einzelpersonen."

  

Welche Rolle spielen Proof-of-Concepts in unserer Beratung? 

„Proof-of-Concepts sind essenziell, werden aber strategisch eingesetzt. Wir führen sie erst nach der initialen Vorauswahl durch, um die vielversprechendsten Lösungen praktisch zu validieren.  


Besonders bei kritischen funktionalen, Integrations- oder Performance-Anforderungen sind PoCs unverzichtbar. Wir strukturieren sie als "Lab Days" mit relevanten Use Cases und definierten Testszenarien und messbaren Erfolgskriterien statt Sales-Feature-Präsentationen – immer mit dem Ziel, dass sie objektive Entscheidungsgrundlagen liefern. 

Teil 4: Herausforderungen im Tech Consulting

Welche typischen Stolpersteine erleben wir bei Kunden in Tech-Evaluationsprojekten? 

 „Die häufigsten Stolpersteine sind unklare Produktvision und Strategie, sowie das unabdingliche Target Operating Model. 


Daher ist dies immer der Startpunkt einer Architekturberatung oder Technologieauswahl. Viele Kunden unterschätzen auch die Komplexität von Datenmigrationen und Change-Management-Prozessen. Ein weiterer kritischer Punkt sind unrealistische Zeiterwartungen und Budget-Vorstellungen, besonders wenn Legacy-Systeme involviert sind."

 

Wie gehen wir mit unrealistischen Erwartungen oder Widerständen im Kundenunternehmen um? 

„Bei unrealistischen Erwartungen setzen wir auf faktenbasierte Aufklärung mit konkreten Beispielen und Referenzprojekten. Wir dokumentieren Risiken transparent und zeigen alternative Lösungswege auf. Bei Widerständen führen wir gezielte Stakeholder-Gespräche, um die Ursachen zu verstehen und individuelle Bedenken zu adressieren. 


Change-Management beginnt bereits bei der Definition von Strategie und Produktvision, nicht erst bei der Implementierung."

  

Welche Rolle spielt Change-Management in unseren Kundenprojekten? 

 „Change-Management ist ein integraler Bestandteil unseres Ansatzes, nicht nur ein nachgelagertes Thema – oftmals auch der entscheidende Punkt einer Technologieauswahl.  


Bereits bei der Technologie-Evaluation berücksichtigen wir Change-Impact-Analysen und Adoption-Faktoren. Wir entwickeln parallel zur technischen Lösung das Target Operating Model und definieren neue Rollen und Prozesse. Erfolgsmessung beinhaltet immer auch Adoption-KPIs, nicht nur technische Metriken.

Teil 5: Erfolgsfaktoren

Was sind die wichtigsten Faktoren, damit eine Technologieentscheidung im Kundenunternehmen langfristig erfolgreich ist? 


„Der kritischste Erfolgsfaktor ist die konsequente Ausrichtung an Geschäftszielen statt an technischen Features. Dazu gehört eine durchdachte Change-Management-Strategie von Anfang an, da die beste Technologie wertlos ist, wenn sie nicht adaptiert wird. Wichtig ist auch eine zukunftsfähige Gesamtarchitektur, die Flexibilität und Skalierbarkeit ermöglich. Schließlich braucht es klare Governance-Strukturen und kontinuierliche Performance-Messung nach der Implementierung.

Teil 5: Trends und Prognosen

Welche Trends sehen wir aktuell im Bereich Tech Consulting und Tech Evaluation? 

 „Es gibt einen deutlichen Shift von monolithischen Lösungen und Architekturen zu Serviceorientierten- und composable Architekturen, sowie stärkere IT/OT-Integration.  

Enterprise Architects entwickeln sich zu strategischen Business-Berater:innen, die eng mit Geschäftsführung und Fachbereichen zusammenarbeiten. Der Einsatz von KI, Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien werden zunehmend wichtige Evaluationsfaktoren. Außerdem sehen wir eine stärkere Integration von Business- und IT-Strategie-Beratung. 


Zudem beobachten wir, dass Compliance und Regulatory Requirements zunehmend technische Entscheidungen treiben, besonders in regulierten Industrien. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Legal, Compliance und IT-Teams bereits in der Evaluationsphase. “

 

Werden neue Methoden das Tech Consulting in den nächsten Jahren verändern? 

KI-gestützte Analysen unterstützen bereits heute die Bewertung großer Vendor-Landschaften und automatisieren Teile der initialen Marktanalyse. Trotzdem bleiben strategische Beratung, Stakeholder-Management und Change-Begleitung weiterhin menschliche Kernkompetenzen. Die Kunst liegt darin, technische Effizienz mit praktischer, menschlicher Expertise zu kombinieren.

  

Porträt von Dorothee Haensch
Dorothee Haensch

Dorothee Haensch ist seit 2023 als Senior Marketing Manager Teil der diva-e. Als Expertin für Content im Softwarebereich geht sie den Anforderungen unterschiedlicher Industrien auf den Grund und erstellt Inhalte, die Unternehmen dabei helfen, aktuelle Probleme zu lösen und zukünftige Herausforderungen zu meistern.

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